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Rezension zu: "Ich hoff, die Menschheit schafft es"

von XX XXDatum hinzugefügt: Dienstag, 28. März 2017Dominik Irtenkauf:
Werkschau statt Biographie

Peter Hacks hat sich einer eigentlichen Biographie verweigert, denn die Werke sollten für ihn sprechen. So blieb es bei einer Monographie, die Jochanan Trilse-Finkelstein 1980 im Verlag Volk und Wissen veröffentlichte. Dass nun, ein Vierteljahrhundert später, doch eine umfangreiche Lebensbeschreibung erscheint, ist wohl vor allem durch die Beziehung des Autors zu Hacks motiviert. Peter Hacks ist wie sein Biograph in Breslau geboren, aber erst später in der DDR, wo Trilse-Finkelstein als Theaterkritiker und Lektor arbeitet, kommt es zu persönlichen Begegnungen.
Das vorliegende Buch allerdings bezieht sich vor allem auf die Korrespondenz und die Werke Hacks‘. Als besonders fruchtbar erweist sich der Briefwechsel mit André Müller sen. Mit der Liebe zum historischen Detail arbeitet sich Trilse-Finkelstein an diesen Zeugnissen ab, was die Lektüre für jene, die nicht bereits über ein fundiertes Hintergrundwissen verfügen, gelegentlich erschwert, zumal der Autor in manchem Kapitel auf sehr engem Platz eine Vielzahl von Informationen unterbringt und stellenweise in einer Art Telegrammstil referiert.
Das Werk eines hochproduktiven Autors, der nicht nur in der Dramatik reüssierte, sondern philosophische Essays, Kinderbücher und Lyrik verfasste, dürfte jeden Biographen vor eine Herkulesaufgabe stellen. Trilse-Finkelstein löst dieses Problem durch eine Vielzahl kurzer Kapitel, die das in der Überschrift genannte Thema kursorisch streifen, jedoch ohne dass sich ein Gesamtbild ergibt. Hier wäre eine übergreifende Fragestellung hilfreich gewesen.
Dafür hätte sich zum Beispiel Hacks’ ästhetisches Verständnis politischer Fragen angeboten: Schließlich haben wir es mit einem Autor zu tun, der in die DDR emigriert und ein besonderes und durchaus fragwürdiges Verständnis des Sozialismus entwickelt hat. Hacks‘ Orientierung an der Weimarer Klassik und die daraus resultierende Goethe-Verehrung mögen zur Napoleon-Faszination geführt haben, die Stalin-Fixierung späterer Jahre ist da schon von anderem Kaliber. Trilse-Finkelstein schreibt dazu: „PH, der Stalin als welthistorische Figur begriffen hatte und ihn trotz dessen Untaten durchaus differenziert beurteilte, tat dies hier in der Art eines bösen Witzes und der Form der Ballade. Die große Lüge wird dem Volke vorgeführt, und alle können ihr Gesicht bewahren. Der Marschall behält seine Rolle als revolutionärer Kriegsheld und Stalin das Gesicht vor der Geschichte – seine tatsächlichen Leistungen werden nicht geschmälert.“
Peter Hacks hatte sich in der DDR einen ästhetischen Zufluchtsort geschaffen und vielleicht aus diesem Grund auch nicht gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestiert. Über die Beziehung zur Staatsmacht. Interessant wären auch hier neu geführte Interviews mit noch lebenden Zeitgenossen gewesen. Stattdessen hat Trilse-Finkelstein vorwiegend Bücher befragt. Das Objekt dieses biographischen Versuchs dürfte damit zufrieden sein, wer sich aber für das Leben dieses bemerkenswerten Dichters interessiert, wird ein wenig enttäuscht.
Dominik Irtenkauf

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