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Rezension zu: "Wirbelndes Sprechwerk - Wörtersonnen"

von Kerstin MarklofskyDatum hinzugefügt: Montag, 27. März 2017Rezension von Prof. Johannes Heinrichs, 10. Mai 2013:
Diese Gedichte entzücken mich – auch wenn ich bei Weitem nicht gleich alles verstehe und es wohl
auch nicht auf die gewohnte, rationale Weise verstehen soll. Die Natur wird mit ganz neuen
Wörtern entdeckt, geradezu unverschämt, rücksichtslos einfallsreich. Ich habe noch nirgends so
viele Wortneubildungen gefunden, die indessen ganz naturnah daherkommen.
Anfangs scheint es überhaupt nur Natur und die intensiv erlebende Dichterin zu geben, keinen
zwischenmenschlichen Herzschmerz und dergleichen. So etwas kommt erst – doch ebenfalls mit
ungewohnten Wörtern - ab Seite 31 – vor und eher vorübergehend. Dabei sind auch technische und
wissenschaftliche Wörter zu hören wie natürliche Neuigkeiten von Natur und Sprache zugleich,
ohne die übliche Prätention. Erst später im Buch gibt’s gewohnte und doch schöne Sprache wie auf
S. 72 („Nicht aufgeben“), gar Imperative, Ermahnungen („Sei auffindbar“, 74). Sonst ist alles pures
Spiel mit Klängen und teils anschaulichen, oft rätselhaften, im Grunde immer geheimen
Bedeutungen. Streckenweise spielt die Sprache ausdrücklich auch mit sich selbst (20 ff) und ihren
Dialekten (24). Aber überall herrscht eine Atmosphäre von Sinndichte, auch im Leichtsinn. Was ich
selbst „Sinnmusik“ nenne, liegt bei Bees Werk weniger in der großen, spannungsreichen Syntax von
Stilfiguren als in der kleinteiligen Syntax der Wortneubildungen und ihrer offensichtlichen Bezüge:
eben „Klangblumen“ (56), die den „Sinnsumpf“ (31) zum leuchtenden Blühen bringen. Nicht von
ungefähr wurde das Gedicht „Wörtersonnen“ zum Titelgedicht für diesen um die Semantik der
Wörter zentrierten Stil. Und doch finde ich auch meine Auffassung von Lyrik als syntaktischer
Sinnmusik ziemlich ausdrücklich bestätigt, in dem für die Mischung von naturnahem und
hochintellektuellem Wortmaterial typischen Gedicht „Im Zwiegespräch mit der Sprachlosigkeit“.
Die deutsche Sprache hat eine neue Schöpferin aus ihrer Fülle gefunden, die vor allem ihrem
Wortschatz frisches Leben einhaucht und dessen unerschöpfliche Möglichkeiten neu beweist! Das
hat für mich durchaus etwas Sensationelles. Danke, Brigitte Bee, und ein Danke auch dem Araki
Verlag, der sich solcher heimlichen und sehr seltenen Gewächse von Neuem abseits der offiziösen
Kulturindustrie annimmt!

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