Roman
Von: Lüssy, Heinrich
Wolfbach, 2019, ca. 232 S., 14,5 x 21, 5 cm, geb. m. Leinen u. Schutzumschlag
ISBN: 9783906929262
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Im Spiegel und auch Zerrspiegel der Erinnerung eines Siebzigjährigen entrollt sich das zeitlose Drama von erotischer Anziehung und gesellschaftlichen Zwängen, von Liebe, Ehe, Treuebruch. Es geht um die Geschichte dreier Paare, die im Zusammenhang mit einem Hausbau in gefährliche (wahlverwandtschaftliche) Nähe zueinander geraten und in die der erzählende Protagonist sich noch immer verstrickt weiß, obschon inzwischen dreißig Jahre vergangen sind. Weil Erinnerungen daran sich immer wieder störend in seine Gegenwart einmischen, hat er den Entschluss gefasst, schreibend Rechenschaft darüber abzulegen. Denn als Betriebsökonom und erfolgreicher Immobilienmakler ist er es gewohnt, unliebsame Vorgänge kurzerhand dadurch zu erledigen, dass er sie bilanziert und archiviert. Doch diesmal versagt diese Lebensstrategie.
Im zweiten Teil des Romans wird die Weise, wie der Ehemann, Familienvater und Bauherr die Dinge darstellt, von weiblicher Seite her relativiert. Dem Leser bleibt es überlassen, die beiden Ansichten gegeneinander abzuwägen und selber Bilanz zu ziehen.
Auszug:
Wie ist es zu verstehen, wenn Kasimir sich implizit neben seiner grüblerischen Veranlagung eine Buchhalterseele zuschreibt? Handelt es sich um bare Ironie, gar Selbstironie? Denn wer, der ihn kannte, hätte in ihm schon einen Buchhalter vermutet? Und wenn schon Buchhalter, dann war er das in einem philosophischen, einem pfiffigen Sinn. Sozusagen als ein Socrate comptable verwendete er den Begriff Buchhaltung als Metapher für eine bestimmte Weise zu denken und vorzugehen und nicht zuletzt auch als Ausdruck für seine Sehnsucht, endlich den besagten klaren Schlussstrich ziehen zu können. «Erledigt, abgelegt» wie seine Dokumente. Mit seinem außermoralischen, eben buchhalterischen Begriff von Schuld bin ich allerdings völlig einverstanden.