Roman
Von: Leminki, Nora
Grundblick, 2010, 191 S., Paperback
ISBN: 978-3-9802133-6-3
12,00 €
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Aus der Rubrik "amüsante Frauenliteratur": Nora Leminki präsentiert in ihrem Erstlingsroman die Geschichte von Gabi, die sich mehr oder minder freiwillig in einer Rehaklinik fern der Heimat wiederfindet. Auch, um sich die Zeit in der Ferne zu vertreiben, erinnert sich die Protagonistin an vergangene Männerbekanntschaften - augenzwinkernd und heiter, aber auch mal melancholisch und nachdenklich. Und hier und da findet frau sich zwischen den Zeilen auch mal wieder...
Gabi ist überarbeitet, leidet unter Burn Out; einige von Gabis Ärzten nennen es sogar Depression und schicken sie zur Kur. Dort angekommen, sieht Gabi sich mit Mitmenschen konfrontiert, denen sie im Normalfall lieber aus dem Weg gegangen wäre. Aber sie wird auch erinnert an verschiedene Männer, die sie durch eine Kontaktanzeige kennengelernt hatte...
Nora Leminki, Jahrgang 1967, lebt mit ihrer Familie, Hund und Kater in einem kleinen mittelhessischen Dörfchen. Nach Ausbildung und Studium war sie viele Jahre in einer Einrichtung für körperlich Gehandicapte angestellt, bevor sie sich aus gesundheitlichen Gründen aus ihrem Beruf zurückzog; seither arbeitet sie als freie Mitarbeiterin für verschiedene Verlage.
Ein Alptraum.
Ein schrecklicher, widerlicher, ganz furchtbarer Alptraum, dachte ich, und kniff mich verstohlen in den rechten Arm. Leider geschah daraufhin nichts. Zumindest nicht das, was ich mir wünschte. Nämlich aufzuwachen. Ich saß in einem Taxi, und der Lichtstrahl seiner Scheinwerfer suchte sich einen Weg durch einen mir endlos vorkommenden Wald. Mittlerweile war es tatsächlich ganz dunkel draußen, und ich wusste nicht, ob ich das gut oder schlecht finden sollte. Als das Taxi am Bahnhof abfuhr, war es zwar noch hell, aber es regnete geradezu junge Hunde, und das, was ich sehen konnte, war wirklich deprimierend: Nachdem ich dem Taxifahrer mein Fahrtziel genannt hatte, hatte er wissend genickt, den Wagen gestartet und ihn geschickt zwischen parkenden Bussen und wartenden Menschen hindurch manövriert, und die Bahnhofsgegend, durch die wir nun fuhren, gehört vermutlich, wie ich fairerweise zugeben muss, in keiner Stadt zur Wohngegend der Upper Class. Unschön anzusehende, schmuddelige Bauten reihten sich aneinander, die Häuserfront wurde hier und da unterbrochen durch Kioske und Stehbierhallen. Ein kleines Lokal, in welchem ich, das sah ich ihm bereits von außen an, vor Ekel niemals einen Bissen herunter bekommen hätte, war auch darunter, gerade entleerte ein Penner an der Hausecke seine Blase. Nahtlos an das Bahnhofsviertel schlossen sich dann braune und graue Häuserblocks an, pro Hauseingang jeweils zwei mal vier Wohnparteien, höchstens die Hälfte davon bewohnt, so schätzte ich im Vorbeifahren; die Fensterscheiben waren teilweise zerbrochen. Verwilderte Vorgärten, in denen verrostete Metallwannen neben Bauschutt und umgefallenen Eimern lagen, von Unkraut überwucherte Sandkästen ergänzten das verwahrloste Bild. Danach ging es vorbei an zahllosen verlassenen und vor sich hin verfallenden Kasernen mit hohen Zäunen davor, auf deren Oberkante sich Stacheldraht schlängelte - und dann kam nur noch Wald. Seit ich am Bahnhof angekommen war, war gerade mal eine knappe Stunde vergangen, aber in diesem Zeitraum hatte sich jegliches Tageslicht verzogen, was man ihm zu dieser Jahreszeit, es war nun einmal fast Ende November, auch nicht verübeln konnte. Der Taxifahrer plauderte mittlerweile munter vor sich hin. Nach seiner anfänglichen schweigsamen Konzentration war er nun in zweierlei Hinsicht richtig in Fahrt, es schien ihn gar nicht zu interessieren, ob ich ihm zuhörte oder nicht. Er referierte gerade über die Möglichkeiten, die sich in diesem Gebiet zur Freizeitgestaltung boten, und ich widmete ihm für einen kleinen Moment meine Aufmerksamkeit: "Wandern, wandern, und ..." - er legte eine kurze Pause ein, um die Spannung zu erhöhen - "... wandern." Darüberhinaus war offensichtlich kein Angebot in der Region vorhanden. Na prima. Zuvor hatte er mir, wie ich mit einem Ohr mitbekommen hatte, von den Stars und Sternchen berichtet, die sich in dieser Gegend angesiedelt hatten, und der in seiner Stimme mitschwingende Stolz war wirklich nicht zu überhören; geradezu so, als wäre er selbst und ganz allein dafür verantwortlich, all die Prominenz in diesen Landstrich geholt zu haben. Es war mir ein Rätsel, dass irgendjemand freiwillig hier leben wollte, und dass ausgerechnet diese Leute, die doch ganz eindeutig zu den Wohlhabenden gezählt werden und sich daher ihren Wohnort aussuchen konnten, dazugehörten, konnte ich beim besten Willen nicht glauben; deswegen hatte ich zwischendurch wieder weggehört. Wozu sich Lügengeschichten anhören? Andererseits war dieser Taxifahrer der erste Mensch, der an diesem Tag überhaupt mit mir sprach, denn ich war vor ziemlich genau 10 Stunden zuhause in den Zug eingestiegen und seitdem nur schweigsamen oder unfreundlichen Mitmenschen begegnet; von daher gehörte ihm ein kleines Quentchen Sympathie...